WHY DIY - KOLUMNE,  INTERVIEW

INTERVIEW | #zwölffragenan Annika von Schnittliebe

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten ●

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Die Nähszene ist in den letzten Jahren immens gewachsen. Das ist eine wahnsinnig vielfältige und interessante Entwicklung. Deshalb habe ich die Interviewreihe LET’S TALK ABOUT ins Leben gerufen. Es gibt Einblicke in die Welt der Kreativköpfe der Nähszene, die auch mich immer wieder inspirieren und deren Schnitte ich gerne nähe. Zwölf Fragen zu Tipps, Tricks, Fails und unserer Gemeinsamkeit, der Faszination für das Nähen und Selbermachen. Es geht um Motivation, Mut und Miteinander. Ich möchte mit dem Interview motivieren etwas selbst zu machen. Kleidung und Accessoires selber zu nähen oder bewusster zu konsumieren. Getreu nach dem Motto meiner Heldin Vivienne Westwood „buy less, choose well …“ Viel Spaß mit dem Interview, denn jede*r fängt einmal irgendwo an! Also lasst euch ermutigen und probiert aus, worauf ihr Lust habt. Tipps der erfahrenen Kreativköpfe inklusive!


1 // Wer bist du, was möchtest du zu dir sagen?

Hi, ich bin Annika, 28 Jahre alt und lebe in Berlin. Ich bin gelernte Modeschneiderin und Schnitttechnikerin und liebe es meine eigene Kleidung zu entwerfen und zu nähen. 2018 habe ich mein eigenes Schnittmuster-Label „Schnittliebe“ gegründet und entwerfe moderne und feminine Schnittmuster für Frauen. Im letzten Jahr habe ich dann gemeinsam mit Lisa von fashiontamtam den Online Nähkurs gegründet, mit dem wir anhand von einfachen Videos und Worksheets anderen Menschen das Nähen beibringen.

2 // Wann und wie bist du zum Nähen gekommen?

Mit der Nähmaschine bin ich schon sehr früh in Berührung gekommen. Seitdem ich denken kann hat meine Oma Kleidung für mich und meine Familie genäht. Sie hat sogar gemeinsam mit meinem Vater eine Firma für Sportbekleidung aufgebaut, in der ich mittlerweile auch nebenbei als Schnitttechnikerin arbeite. So richtig fasziniert hat mich das Nähen aber erst als ich etwa 17 Jahre alt war. Ich habe zu der Zeit einen Nähkurs besucht und sehr schnell gemerkt, dass das total mein Ding ist. Ich weiß noch genau, dass mein allererstes Projekt ein Kleid für meinen 18. Geburtstag war. Danach habe ich dann auch mein Abiball-Kleid selbst genäht und war nicht mehr von der Nähmaschine wegzukriegen.

3 // Wann ist aus dem Hobby Berufung oder auch Beruf geworden? Gab es einen Auslöser?

Während ich den Nähkurs besucht habe musste ich mir Gedanken machen, wie es nach dem Abitur weitergehen soll. Ich wusste, dass ich auf jeden Fall im Bereich Mode arbeiten und am liebsten professionell Nähen lernen wollte. Meine ursprüngliche Idee war es Bekleidungstechnik in Berlin zu studieren. Zusätzlich habe ich mich aber auch nach Ausbildungen in dem Bereich umgeschaut. Zu dem Zeitpunkt wusste ich ehrlich gesagt noch nicht, dass es so etwas wie eine Ausbildung zur (Mode-)Schneiderin gibt. Das habe ich dann aber zum Glück schnell herausgefunden und recherchiert welche Firmen in Deutschland so eine Ausbildung anbieten. Mir war wichtig, dass es kein kleines Atelier war, sondern ich wollte unbedingt zu einer namhaften Firma. Ich dachte mir „Wenn schon, denn schon“. Nach meiner Recherche habe ich mich bei zwei großen Firmen beworben und wurde letztendlich dann bei Hugo Boss in Metzingen genommen. Die Ausbildung dort ging drei Jahre und ich habe wirklich unglaublich viel gelernt. Im Anschluss bin ich noch ein Jahr dort geblieben und habe Prototypen für Jacken, Blazer und Mäntel genäht. Zwei Jahre später habe ich noch eine Weiterbildung zur Schnitttechnikerin bei M.Müller&Sohn in Düsseldorf absolviert.

4 // Was fasziniert dich am Nähen?

Am meisten fasziniert mich, dass man beim Nähen etwas aus dem Nichts erschaffen kann. Also man hat nur ein Stück Stoff und hat die Fähigkeit ein wunderschönes Kleidungsstück daraus zu machen. Manchmal habe ich eine Idee im Kopf, die ich dann sofort umsetzen möchte. Wenn mir die Idee abends kommt, kann ich manchmal nicht schlafen, weil ich schon darüber nachdenke, wie ich den Schnitt am besten konstruiere und welcher Stoff sich dafür eignet. Echt verrückt. Ich liebe einfach diesen Prozess von der Idee bis hin zum fertigen Kleidungsstück.

5 // Welches Nähprojekt ist komplett schief gelaufen?

So einige! Vor allem, als ich mit dem Nähen angefangen habe, habe ich die meisten meiner selbstgenähten Stücke nie getragen. Ganz lange war mir nicht so recht bewusst warum und jetzt, also erst Jahre später weiß ich, woran es lag. Wenn man mit dem Nähen anfängt fehlt einem zum einen das Hintergrundwissen zu Stoffen und ihren Eigenschaften. Zum anderen ist man von der Auswahl in den Stoffläden einfach nur überfordert und findet gefühlt erstmal ALLES schön. Mein Problem war damals, dass ich Stoffe ausgewählt habe, die ich zwar schön fand, aber die farblich überhaupt nicht zu mir oder meinem Stil gepasst haben. Oder ich habe einfach einen komplett unpassenden Stoff für ein Projekt verwendet. Zum Beispiel habe ich ganz am Anfang mal einen gerafften Rock aus Möbelstoff genäht. Das Muster war grässlich und der Stoff ist natürlich überhaupt nicht schön gefallen.

6 // Was war bisher dein aufwendigstes Nähprojekt?

Während meiner Ausbildung hatten wir mal ein Trenchcoat-Projekt, das unglaublich aufwändig war. Der Trenchcoat musste absolut perfekt genäht sein (wir wurden sehr auf Qualität gedrillt) und zusätzlich mussten wir noch eine Mappe für den Trenchcoat gestalten. In der Mappe mussten wir unter anderem die Stoffeigenschaften sehr ausführlich beschreiben, das Material auflisten und eine komplette Nähanleitung verfassen. Rückblickend war das eine gute Vorbereitung auf die Ausarbeitung meiner Nähanleitungen für mein Schnittmuster-Label.

7 // Dein ultimativer Tipp für Näh-Neulinge?

Übung macht den Meister. Ich weiß, das klingt wie ein nett gemeinter Ratschlag, verpackt in einer ausgelutschten Redewendung. Aber es ist wirklich so! Ich könnte heute nicht so gut nähen, wenn ich nicht die letzten 11 Jahre tausende Stunden an der Nähmaschine verbracht hätte. Wichtig ist einerseits nicht so streng mit sich selbst zu sein, andererseits aber auch ehrlich genug, wenn mal etwas nicht so gelungen aussieht. Aus Erfahrung kann ich sagen: Trenn es lieber nochmal auf, sonst ärgerst du dich im Nachhinein. Beim Nähen ist das meiste wirklich Übungssache. Achso und noch was: Niemals Papier mit der Stoffschere schneiden!

8 // Was ist dein liebstes Nähgadget?

Eindeutig meine kleine Stickschere. Ich liebe dieses Ding. Sie ist perfekt um Fadenenden abzuschneiden, aber am liebsten trenne ich damit Nähte auf. Das ist auch eine Sache, die ich Anfängern empfehlen würde: Lernt, wie man schnell und „richtig“ auftrennt. Dann ist es nur noch halb so schlimm, wenn eine Naht mal nicht auf Anhieb gelingt. Ich habe dazu mal ein Video auf IGTV hochgeladen.

9 // Was darf in deinem Nähbereich auf keinen Fall fehlen?

Am liebsten mache ich es mir mit einer Tasse Tee an der Nähmaschine gemütlich. Wenn ich so richtig im Nähflow bin, vergesse ich oft etwas zu essen oder zu trinken. Daher ist es praktisch, wenn die Teetasse griffbereit in der Nähe steht.

10 // Woher oder von wem nimmst du deine Inspiration?

Das ist ganz unterschiedlich. Ich mag Pinterest sehr, um mir Ideen für Outfits oder Schnittmuster zu speichern. Aber eigentlich fühle ich mich ständig inspiriert, wenn ich Leute auf der Straße beobachte. Mein Freund sagt immer ich starre die Menschen zu sehr an. Ha ha

Lange Zeit habe ich mir selbst eingeredet, dass ich nicht kreativ bin. Wenn man sich aber einmal von so einem negativen Glaubenssatz gelöst hat, dann sprudelt es nur so vor Ideen.

11 // Hast du einen Näh-Trick, den du verrätst?

Ich denke das „richtige“ Auftrennen, das ich schon in Frage 8 erwähnt habe. 🙂 Ansonsten verrate ich viele Tricks in meinen Insta-Stories und natürlich im Online Nähkurs.

12 // Gibt es eine Frage die ich nicht gestellt habe, die du gerne beantworten möchtest?

Danke für das nette Interview. Ich freu mich, wenn ich damit (und mit meinen Schnittmustern) noch mehr Menschen für das schönste Hobby der Welt begeistern kann.



Weitere Infos und Inspiration findest du auf:
www.schnitt-liebe.de // Instagram: @schnitt_liebe // www.onlinenaehkurs.com

Ein riesen Dank an dich liebe Annika, dass du dir die Zeit genommen hast und die Fragen beantwortet hast. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Präzision, mit der du arbeitest. Auch dein neuer Schnitt ‚Paris‘ gefällt mir so gut, dass ich wohl doch noch ein neues Kleid im Kleiderschrank brauche. Alles Liebe für dich!

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